Der ewige Zauber und Tarantinos Liebe fürs Kino
Quentin Tarantino gehört zweifellos zu den interessantesten und bemerkenswerten Filmemachern der letzten 30 Jahre. Er ist kontrovers, kreativ, furchtlos und virtuos. Seine Dialoge, so geschwätzig diese zum Teil auch sind, sind brillant, sowie seine Kameraeinstellungen und Schnitte meisterhaft. Überdies hat er ein Händchen Popsongs in seine Filme einzubauen. Was sicherlich auf sein überragendes Wissen auf die Popmusik der letzten 70 Jahre zurück zuführen ist. Er scheint jeden Musikschnipsel zu kennen, von Elvis über Curtis Mayfield bis Johnny Cash.
Aber Tarantino ist auch viel zu geschwätzig, eingebildet und präpotent. Er hat sich nie mit seiner Meinung über Kollegen zurückgehalten und kritisiert regelmäßig allgemein geschätzte Filmemacher. Auch scheinbare Säulenheilige, wie Alfred Hitchcock und Jean Luc Godard hält er für überschätzt. Brian de Palma nennt Er sein Vorbild und zerreißt dennoch gnadenlos dessen Spätwerke. Spielbergs "Weissen Hai" bezeichnet er als perfekten Film während er "Indiana Jones und der Tempel des Todes" als Gurke abkanzelt. Generell kann Er den Filmen der 80er Jahren wenig abgewinnen. Seine Liebe zu Trash und Horrorfilmen ist legendär. Seine Kenntnisse über Western und Eastern (asiatische Material-Art filme sind einzigartig). Der Mann hat scheinbar jeden Hong Kong-Klopfer gesehen.
Tarantino ist auch ein Mann der Schauspieler. Unter seiner Regie hat so mancher Mime zu Höchstleistungen gefunden und einen Karriereschub erhalten. Kein anderer Regisseur hat so vielen (fast) vergessenen Schauspielern zu einem zweiten Frühling verholfen. John Travolta, Bruce Dern, Pam Grier, Robert Foster, Kurt Russell, Christoph Waltz und viele mehr. Sie alle haben Quentin einen starken Schwung für ihre Karriere zu verdanken. Allen voran Travolta und Waltz.
Tarantinos eigenes Werk wiederum ist durchwachsen. Neben Geniestreichen wie "Kill Bill", "Pulp Fiction" und "Jackie Brown" finden sich auch Durchhänger wie "Death Proof" und Langweiler wie "The Heightful Eight" und "Once upon a Time" in Hollywood. Gerade der Letztgenannte müht sich streckenweise sehr seine (Nicht)Geschichte voran zu bringen. Zwei brillante Szenen mit Brad Pitt und ein überzeichnetes Finale rechtfertigen nicht 150 Minuten Laufzeit.
Was jedoch Tarantino wirklich ausmacht, all seine Filme durchdringt und ihn ständig unter Strom setzt, ist seine Liebe zum Kino. Ich kenne keinen Regisseur - nicht mal Steven Spielberg - der so eine Leidenschaft, Begeisterung und Liebe fürs Kino und für Filme generell an den Tag legt, wie es Quentin Tarantino tut. Der Mann ist Kino und lebt Kino.
Dies kann man nachlesen in seinem aktuellen Buch: "Cinema Speculation". Ein Buch das jeder Film & Kinofan lesen sollte. Lesen muss. Tarantino beschreibt darin wie er bereits als Achtjähriger die Liebe zum Kino entdeckte. Seine Mutter hat ihn immer (mangels Babysitter) zu ihren Dates mitgenommen. Quentin musste beim Abendessen im Restaurant brav sein, dann durfte er anschließend mit ins Kino. Tarantino beschreibt Filme die ihn begeisterten und zum Kinofan machten. Er erzählt von seinen Erlebnissen, von den Reaktionen des Publikums auf die Filme. Er schwärmt von Filmen von denen ich noch nie gehört habe. (Und ich kenne viele Filme).
Ein Buch das sich wie das Gespräch mit einem gut Freund liest, nachdem man mit diesem gerade einen guten Film gesehen hat und danach begeistert darüber spricht. Sie werden viele Filme nicht kennen, die Tarantino beschreibt und werden auch mit manchen nicht einverstanden was er so von sich gibt. Aber sie werden dieses Buch verschlingen, weil sie die Begeisterung dieses Menschen spüren. Die Begeisterung eines 10jährigen der mit offenen Mund im Kino sitzt und dabei für immer verzaubert wird. Wenn Sie dieses Buch lesen, werden sich an den Zauber erinnern, den Sie erlebten, als Sie ihre ersten Filme im Kino sehen durften.
Lesen Sie dieses Buch. Sie werden es nicht bereuen
Cinema Speculation von Quentin Tarantino - Taschenbuch - 978-1-4746-2423-7 | Thalia
Andi Bauer
Kommentare
Kommentar veröffentlichen