Springsteen für Arme......


John Mellencamp hat eine neue Platte gemacht. John Wer?, mag sich ja so mancher Leser fragen. Eine berechtigte Frage, da der Gute in Europa nie wirklich groß wurde. Hits hatte Er außerhalb der USA und Australien nirgends. Zu Unrecht, wie so oft. In den USA hatte er seine erfolgreichste Zeit von 1982 bis 1990. Nummer Eins Single-Hits und Millionen verkaufter Alben. In dieser Zeit entstand die wenig schmeichelhafte Bezeichnung: "Springsteen für Arme". Da Mellencamp dem Boss hinsichtlich Verkäufen und Anerkennung immer ein bisschen hinter her hinkte. Mellencamp war auch fast ein Superstar, wäre da nicht seine Sturheit die ihm bei der Welteroberung im Wege stand. Seine Heimatstadt,  Bloomington (ein Nest im Bundesstaat Indiana) wollte er partout nicht verlassen. Die Zentralen der großen Plattenfirmen in Los Angeles und New York waren ihm zu weit weg, die dortigen Manager  fremd und suspekt. Er spielte lieber in seiner Garage und tourte durch den amerikanischen, mittleren Westen in dem er sich zu Haus fühlt. Tourneen außerhalb der USA fanden sporadisch und unregelmäßig statt, was die Ignoranz der Europäer gegenüber Mellencamps Musik erklären könnte. Dennoch eckte der Künstler auch in seiner Heimat an. Mellencamp setzte sich seit Beginn seiner Karriere für die Rechte der Ureinwohner ein und stellte sich resolut gegen jede Form von Diskriminierung und Rassismus, lange bevor es "woke" und cool wurde. Seine Sturheit Lieder für die Werbung freizugeben und auch sonst dem ganzem Marketing und Promotion Zirkus fernzubleiben, gestaltete sich auch nicht als karrierefördernd.

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Mellencamp ist ein sturer Hund, der toller Songs schreibt und großartige Alben aufgenommen hat. Das aktuelles Album ist ein Live-Album einer außergewöhnlichen Tour, die er im Jahr 2000 durch die USA gemacht hat. Es war die sogenannte "The Good Samaritan Tour". Mellencamp spielte damals gratis in öffentlichen Park durch die USA und wollte damit auch ein politisches Bewusstsein schaffen. Nämlich, seine Landsleute zu animieren wählen zu gehen. Somit ist die Auswahl der Lieder weniger auf die Hits fokussiert, sondern viel mehr auf Lieder die politische und gesellschaftskritische Themen behandeln. Eine der vielen Höhepunkte ist eine Rolling Stones Coverversion "Street Fighting Man", und sein eigener Hit "Pink Houses". In diesem kritisierte Mellencamp die damalige Reagan-Politik, die seiner Ansicht nach, dazu führte dass die Kluft zwischen Arm und Reich noch größer wurde.

Well, there's people and more people
What do they know-know-know
Go to work in some high rise
And vacation down at the Gulf of Mexico, ooh yeah
And there's winners and there's losers
But they ain't no big deal
'Cause the simple man, baby
Pays for thrills, with bills, with pills that kill
Aw, but ain't that America for you and me
Ain't that America somethin' to see, baby
Ain't that America home of the free, yeah
Little pink houses for you and me, ooh
Die aktuelle Live-Platte ist aufgrund seiner rustikalen Produktion eher als Fanservice zu begreifen, dennoch ein schönes Dokument für diese Zeit.

Für Einsteiger, Neulinge und alle Anderen, gibt es essentielle Alben, die in jede halbwegs akzeptable Plattensammlung gehören. 
Scarecrow        1985        🌽🌽🌽🌽🌽 (5 von 5 möglichen Kukuruzen)
Mellencamp besingt den Niedergang der amerikanischen Farmer, die unter die Räder der kapitalistischen Großkonzerne geraten. Rustikal, Rockig und zeitlos. 

The Lonesome Jubilee    1987        🌽🌽🌽🌽🌽
Die Themen (der kleine Mann) bleiben gleich, werden jedoch auf die gesellschaft ausgeweitet. Mellencamp tritt ein für die Verierer des Kapitals und wütet gegen Rassismus und Diskriminierung. Ein Wunder, dass die Platte in den USA fast 10 Millionen Käufer gefunden hat. Vielleicht hat niemand auf die Texte geachtet. Der Sound wird doch geigen und Fiddlen Countryesker und auch souliger. Sein bestes und vollkommenstes Werk. 

Whenever We Wanted    1991    🌽🌽🌽🌽1/2
Zornige Gitarren, prügelndes Schlagzeug und apokalyptische Trompeten peitschen durch die Lieder. Mellencamp ist wütend anlässlich des ersten Golfkriegs und singt gegen Krieg und die Waffenlobby. Die Lieder sind entfesselter Rock n`Roll ohne Country-Firlefanz. Den Amis war es wohl zu viel der Kritik und die Platte schaffte es zum ersten seit über 10 Jahren nicht in die US-Top Ten. Ihm war es wohl egal. Er tourte durch das ganze Land und spielte sogar in Europa. Jetzt erst Recht, schien das Motto zu lauten.

Life, Death, Love and Freedom    2008     🌽🌽🌽🌽🌽
Nach schwächeren Alben und dünnen Verkäufen, und einen Herzinfarkt - 80 Zigaretten am Tag lösten die ungedeckten Checks ein - das Spätwerk. Abgeklärt verhandelt Mellencamp, wie es der Titel bereits verrät die letzten Themen. Die Musik schwankt besoffen zwischen Blues und Folk. Mellencamps knarrende Stimme hat die Aura der letzten und endgültigen Dinge. Er hat vorher noch nachher bessere Lieder geschrieben. Ganz große Platte.



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